Neue und alte Gesichter unter den Torschützen (vlnr.): Janni mit dem 3:2, Elias mit dem 1:2 und Josef mit dem 2:2
Eine seltsame Ausgangssituation führte zu diesem Spiel. Wir hatten spielfrei, aber keinen Platz zum Trainieren. Also fragte ich nach einem Freundschaftsspiel an und wurde von Werne, die ebenso spielfrei hatten, angenommen, allerdings stellte sich kurz darauf heraus, dass auch deren Platz nicht zur Verfügung stand. Letztlich bekamen wir den Freigrafendamm zum Spielen, wir waren Heimmannschaft auf fremdem Terrain, und da kein Schiedsrichter von uns angefordert wurde, hätte ich das machen müssen, was ich ähnlich gern habe wie Wurzelbehandlungen, Durchfall und Steuererklärungen. Daher schlug ich zu Beginn des Spieles beiden Teams Folgendes vor: Ich pfeife an und ab und gehe dazwischen, wenn es sein muss. Alles andere sollen die Mannschaften unter sich regeln. Nicht weiter verwunderlich bei derart zivilisierten Mannschaften wie den Tapiren und Werne, dass dies reibungslos klappte. Aber es war einfach wunderbar anzusehen, wie zeitweise ein Neuer-Reflex-Arm nach unten zuckte und manchmal auch eine kurze Diskussion zu einer Situation entbrannte, die aber selten länger als ein paar Sekunden dauerte und dann geklärt war. Es gab noch nicht einmal eine Diskussion über Abseits.
Der Start ins Spiel war für die Tapire zerebral noch einen Hauch zu früh, denn sie fingen sich in der 4. Minute bereits das 0:1. Durch einen Konter, für den ich in meiner Trainerkladde die Worte einfach und zentral festgehalten habe. Der Werner Stürmer schoss aus 14 Metern präzise flach rechts ein. Das war’s mit Toren aus der ersten Hälfte, Chancen gab es zwar nicht zuhauf, aber hie und da, doch alle wurden letztlich nicht vollendet.
In der Halbzeit gab es keinen Cru, aber tonnenweise Auswechselfleisch, Janni und 4 Rudelbesucher (Elias S, Benjamin, Alex, Thomas und Josef) wurden nun vom dadurch völlig überforderten Trainer irgendwie in das Team hineingepuzzelt.
Das war vielleicht auch ein Grund, weshalb der Start in die zweite Hälfte noch schneller in die Hose ging als der im ersten Durchgang. Diesmal dauerte es nur 3 statt 4 Minuten, bis wir wieder eine Hütte rein bekamen. Diesmal war der Auslöser ein Luftloch im Tapirmittelfeld, wodurch der Gegner das Spielgerät in delikater Vorwärtsbewegung einheimste und unsere Abwehr ungeordnet erwischte, zentral ein paar Schritte lief und dann flach rechts zum 0:2 einlümmelte. Doch das reichte den Tapiren jetzt, irgendwann war auch mal Schluss mit frühen Toren. Und dass sie das auch schnell können, zeigten sie direkt: Der neue Elias, der schon ein paar Mal in der Halle mitgespielt hatte, machte in der 5. Minute seines Debüts seinen ersten Treffer für die Tapire, nach einem Einwurf bekam er den Ball über zwei Station zentral am Strafraum und natzte seinen Gegner mit einer Körpertäuschung, lief allein auf den Torwart zu und erzielte halbhoch rechts das 1:2. Nur zwei Minuten später machte ein weiterer Rudelproband namens Josef , der mit seinem Bruder Thomas die rechte Außenbahn belebte, den Ausgleich für die Tapire. Er holte sich auch den Assist für das Tor durch die Balleroberung etwa 10 Meter vor dem Tapirstrafraum. Anschließend rannte er von Siebenmeilenstiefeln getrieben mit horrender Geschwindigkeit an der rechten Außenbahn entlang, legte im Volltempo an der Mittellinie den Ball am ersten außen vorbei und lief innen durch und sah sich direkt an der Strafraum in ähnlicher Zweikampfsituation. Diesen umkurvte er mit Körpertäuschung nach außen, nach innen reinziehen, weshalb er nun allein auf den Keeper von halbrechts zulief und das Bällchen an ihm vorbei unten rechts zum 2:2 reinzudremmeln. Ein wahrer Parforceritt, Herr Josef! Die Tapire hielten weiterhin das Tempo hoch und ließen zuhauf Angriffswellen anrollen, doch Werne hielt lange Stand und irgendwann ebbte auch die tapirliche Offensivkultur ab, so dass das Spiel spannend aber unspektakulär blieb. Erst 6 Minuten vor Schluss schoben die Tapire lecker ihr Rüsselchen in Front mit einem Konter über rechts, der über Thomas zu Janni gelangte, welcher perfekt in Szene gesetzt auf den Torwart zulief und dabei sogar noch eine Querpass-Option hatte. Diese täuschte er an und als er sah, dass der Torhüter eine Körperverlagerung zur Mitte machte, schlenzte er den Ball souverän halbhoch ins kurze Eck zum 3:2. Dieses Ergebnis hätte dem Spielverhältnis entsprochen, aber es war derart pazifistisch, dass zwei Minuten später der Ausgleich fallen musste. Unspektakulär, nach einer Ecke, gelangte der zweite Ball zu einem Werner, der den Ball irgendwie zum 3:3 in die Maschen schoss. Der Trainer als Pfeifenbediener gab noch glatte drei Minuten Nachspielzeit, aber Ergebnisveränderungen fanden nicht mehr statt.
Finalerweise war ich extrem begeistert, geradezu enthusiasmiert, dass das Prinzip der Schiedsrichterlosigkeit komplett funktioniert hat, mit Abseits und Einwurf und Foul und alles. Und ich durfte endlich meinen Kindheitstraum Wirklichkeit werden lassen: Einmal Schiedsrichterball machen. Wunderschönes Freundschaftsspiel, das damit endete, dass wir nach Verlassen des Spielgeländes noch einen über die Mauerbegrenzung geschossenen Ball von uns suchten, der vermutlich in der Ausstellung des friedhofnahen Steinmetzes bzw. Grabsteinplattenherstellers lag. Bei Dunkelheit fanden wir recht schnell mit Handy-Beleuchtung im Sepulkralausstellungsbereich der Firma Hetfeld GmbH noch den Ball, wurden dabei nicht verhaftet und fuhren belustigt und zufrieden nach Hause.
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